Legal Design = Idee & OfficeTech & LegalTech & Change Management?
In den aktuell geführten Diskussionen zum Thema Zukunft des Anwaltsmarkts werden eine Vielzahl von Themen miteinander vermischt. Ich denke, es ist an der Zeit, ein wenig Struktur in die Themenkomplexe zu bringen. So kann jede Kanzlei eine individuelle Gewichtung und Priorisierung der einzelnen Themen vornehmen.
Neben den technischen Themen ist der „war of talents“ mit Sicherheit einer der „kriegsentscheidenden“ Punkte.
Die Vorstellungen der neuen Generation junger hochqualifizierter Anwälte und Anwältinnen haben sich inzwischen geändert. Sechsstellige Einstiegsgehälter in den Top-Kanzleien scheinen nicht mehr auszureichen. Das Thema Work Life Balance ist in der Zwischenzeit ein Thema, das in fast jedem Vorstellungsgespräch eine entscheidende Rolle spielt.
Kanzleien müssen darauf mit neuen, zum Teil hochindividuellen Arbeitszeit-Modellen reagieren. Das Thema externer Arbeitsplatz gewinnt an Bedeutung und muss technisch realisiert werden.
Diese angespannte Personalsituation lässt sich fast unverändert auf die Fachkräfte in der Assistenz übertragen; die Nachwuchssorgen scheinen hier unabhängig von der Region ein beängstigendes Ausmaß anzunehmen.
Hier müssen Kanzleien Maßnahmen treffen, um die wenigen zur Verfügungen stehenden qualifizierten Kräfte intelligent einzusetzen.
Ein einfacher Ansatz ist die Integration digitaler Diktatsysteme zur Reduzierung der simplen Schreibarbeit in der Kanzlei. Über ein digitales Diktatsystem können sowohl die Heimarbeitsplätze der jungen Anwälte, die der in Teilzeit arbeitenden Fachkräfte , als auch externe Dienstleister, wie Schreibbüros, in Belastungsspitzen angebunden werden. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit schafft Freiraum für qualifizierte Tätigkeiten der wenigen vorhandenen „Perlen“.
Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, muss über die konsequente Nutzung einer Spracherkennungs-Software nachgedacht werden.
Hierbei ist zu bedenken, dass die „einfachen“ Lösungen auf eine lokale Installation ausgerichtet sind und in einem modernen Umfeld, wie einer Terminalserver-Farm oder einem Rechenzentrum, durch ihren Ressourcen-Hunger regelmäßig zu desaströsen Performanceeinbrüchen führen.
Es gibt Alternativen, die seit Jahren erfolgreich in Rechenzentren, wie z. B. im DATEV-Rechenzentrum, eingesetzt werden.
So unterstützt die terminalserverfähige Diktierlösung HighSpeech schon seit Jahren eine Streaming-Technologie, bei der der Einsatz separater Erkennungsrechner zu einer signifikanten Entlastung der vorhandenen Infrastruktur führt. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern auch erhebliche Investitionen in ansonsten notwendige zusätzliche Hardware.
Neben der Schaffung „idealer“, von Zeit und Raum unabhängiger Arbeitsplätze ist der Einsatz von forensischer KI ein großes Thema.
Die Analyse und Strukturierung großer Datenmengen ist ein Thema, das die angebotenen Systeme und eDiscovery-Dienstleister wie inventus in einer bestechenden Qualität erledigen.
Gerade in Wettbewerbssituationen zwischen Kanzleien entscheidet häufig die Geschwindigkeit und der Preis über die Mandatsvergabe. Kann die Kanzlei die einfachen Arbeiten „automatisiert“ erledigen, kann z. B. im Bereich der „Red Flag Due Diligence“ die Suche auf die echten Dealbreaker beschränkt werden. Dies kann der entscheidende Punkt in der Kalkulation eines Angebots sein.
Die Qualität der Arbeitsprodukte hängt im Wesentlichen von der Nutzung des kanzleiimmanenten Wissens ab. Hier helfen die intelligenten Vertrags-Composer wie z. B. LawLift in erheblichem Umfang.
Nach der Aufbereitung eines komplexen Musters durch den erfahrenen Kollegen kann ein jüngerer Anwalt über das Interview- und Hinweissystem innerhalb kürzester Zeit den qualifizierten Entwurf eines Vertrages erstellen. Hierdurch wird die weitere Zeit für die Bearbeitung erheblich verkürzt.
Bleibt zum Schluss das schöne aber lästige Thema der Rechnungsstellung.
Eine konsequente, fehlerfreie, alle Bedingungen der Mandatsvereinbarung überwachende Leistungserfassung vorausgesetzt, müssen Rechnungen fast auf Knopfdruck erstellbar sein.
Das Nachfragen, ob alle Leistungen zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung erfasst worden sind, lässt sich durch eine einfache technische Beschränkung der Eingabezeiträume realisieren.
Das Thema sollte aber im Zeitalter der Budgets und Kostenschätzungen final innerhalb der Kanzlei geklärt sein. Wasserstandsmeldung auf Basis einer inkonsequenten Leistungserfassung sind in der Regel das Papier nicht wert, auf dem sie ausgedruckt werden und haben schon wiederholt zu peinlichen Situationen für den verantwortlichen Partner geführt.
Hier bietet PerfectTime einen spannenden Ansatz zur Unterstützung der anwaltlichen Leistungserfassung. In der neusten Version werden die Bereiche digitales Diktat und Zeiterfassung gekoppel., Neben der Option zur separaten Erfassung der Zeit wird automatisch aus der aufgewendeten Diktatzeit ein Vorschlag zur Erfassung der anwaltlichen Leistung auf Knopfdruck generiert.
Ich denke, dass hier eine Vielzahl von Aufgaben auf die Kanzleien warten. Zugleich bin ich aber der Meinung, dass erst ein stabiles Fundament aus OfficeTech geschaffen werden muss, bevor die komplexen LegalTech-Themen in Angriff genommen werden können.
Allein die Veränderungen in der Kanzleiorganisation und der bestehenden Workflows setzten eine intensive Begleitung der verantwortlichen Kräfte voraus. Um ein anders Schlagwort zu bemühen: ein Change-Management ist meiner unbedeutenden Meinung nach zwingend notwendig.