Droht nach dem beA das nächste elektronische Desaster beim eBilling
Das Thema eBilling beschäftig Kanzleien mit starken Bezügen zum amerikanischen Markt schon seit geraumer Zeit. Immer häufiger sehen sich die Kanzleien mit der Forderung der Mandantschaft konfrontiert, Rechnungen in elektronischer Form einzureichen.
Aufgrund des geringen Volumens haben die meisten Kanzleien bislang die notwendigen Rechnungsdaten sowie die Zeit- und Auslagenpositionen manuell in das jeweilige eBilling-Portal eingegeben. Bei Rechnungen mit einer überschaubaren Anzahl von geleisteten Stunden und verauslagten Kosten ist dieses Vorgehen durchaus praktikabel, bei komplexeren Rechnungen kann die manuelle Eingabe durchaus dutzende von Stunden in Anspruch nehmen.
Mit steigender Zahl der Rechnungen wird dieses zeitintensive Vorgehen somit immer weniger praktikabel.
Kanzleien sehen sich vor der Herausforderung, die Prozesse rund um das Thema eBilling zu überprüfen und zu optimieren. Drei wesentliche Faktoren sind bei einer eBilling-Lösung beachten:
- Die Erfassung der anwaltlichen Leistungen muss auch weiterhin im Practice Management System erfolgen, sonst sind alle kanzleiinternen Auswertungsmechanismen obsolet.
- Die Eingabe der Leistungen für ein eBilling-Portal erfordert häufig die Angabe von Activity- und Task Codes nach den LEDES-Vorgaben. Die Eingabe für den Anwalt muss schlank bleiben, damit er nicht bei jedem Eintrag minutenlang nach den richtigen Codes suchen muss.
- Die Erfassung muss auf das jeweilige eBilling-Portal abgestimmt sein, weil fast alle eBilling-Portale mit dem LEDES-Format arbeiten, dieses aber höchst unterschiedlich interpretieren.
Viele Kanzleien, die keinen Bezug zum amerikanischen Markt haben, sehen aktuell keine Notwendigkeit, sich mit dem Thema eBilling auseinanderzusetzen.
Hier empfiehlt sich dringend ein Blick auf die Gesetzgebungsprozesse innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die nationale Umsetzung und die Konsequenzen für die Mandantschaft.
Das Bundeskabinett hat am 6.9.2017 eine neue eigene Verordnung für die Erstellung von elektronischen Rechnungen verabschiedet. Künftig sollen Unternehmen Rechnungen an Behörden und Einrichtungen der Kommunen, der Länder- und Bundesverwaltungen „überwiegend“ elektronisch zustellen; so sieht es jedenfalls die neue eRechnungs-Verordnung des Bundes vor, die jetzt vom Bundeskabinett verabschiedet wurde.
Das bedeutet, dass sich alle Mandanten, die eine Geschäftsbeziehung zu öffentlichen Auftraggebern unterhalten, des Themas eBilling annehmen müssen.
In vielen Bereichen des Wirtschaftslebens ist die Akzeptanz der elektronischen Rechnungsstellung stark gestiegen.
Die Ursachen sind in mehreren Faktoren begründet: Die Anforderungen an die elektronische Rechnung sind gesenkt worden, so ist zum Beispiel die qualifizierte Signatur entfallen.
Selbst die Problematik des Vorsteuerabzugs bei elektronischen Rechnungen kann durch die Senkung der Anforderungen der Finanzbehörden als gelöst betrachtet werden.
Im Handel oder der Industrie bietet die elektronische Rechnung die Option, die einzelnen Positionen des Auftrags mit der Rechnung abzugleichen, dies reduziert den Kontrollaufwand erheblich.
Aktuell ist die Tendenz zu beobachten, dass Unternehmen, die sich mit der elektronischen Rechnungsstellung auseinandersetzen müssen, dazu tendieren, den gesamten Workflow rund um den Rechnungseingang zu vereinheitlichen. Stimmt diese Annahme, ist damit zu rechnen, dass immer mehr Kanzleien mit dem Thema konfrontiert werden.
Wird eine einheitliche Lösung entstehen? Bei der Vielzahl der bestehenden und zukünftig entstehenden eBilling-Portale darf diese Frage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verneint werden.
Die aktuell in der Diskussion stehenden e-Billing Formate sind:
Das LEDES-Format
Das LEDES-Format in seinen verschiedenen Ausprägungen ist die Grundlage, auf der die meisten amerikanischen und englischen eBilling-Portale aufsetzen.
Die Spezialität des LEDES-Formats ist, dass jeder Tätigkeit und jeder Auslage der oder die entsprechenden Codes zugewiesen werden müssen. Fehlt der von Portal zu Portal unterschiedliche Code oder stimmt die zu übermittelnde CSV-Datei nicht mit den individuellen Standards überein, wird die Rechnung häufig direkt abgewiesen.
Die Listen der genutzten Code-Sets nach dem UTBMS (Uniform Task Based Management System) kann auf der Seite http://utbms.com eingesehen werden.
Anbei ein kleiner Auszug, um die Komplexität zu verdeutlichen:
Die „XRechnung?
XRechnung ist ein Standard für eine elektronische Rechnung in Deutschland bei der Rechnungsübermittlung an Behörden.
Die XRechnung entspricht den Vorgaben des CEN (CEN = europäisches Komitee für Normung – französisch: Comité Européen de Normalisation). Das CEN hat das semantische Datenmodell und eine Liste von erlaubten Syntaxen für Europa vorgegeben.
Die deutsche XRechnung-Spezifikation wurde vom sog. IT-Planungsrat beschlossen und ist die maßgebliche Umsetzung der EU-Richtlinie zur elektronischen Rechnungsstellung in Deutschland. Das bedeutet, dass öffentliche Auftraggeber XRechnung ab Herbst 2018 als Grundlage für die Einführung der elektronischen Rechnung berücksichtigen müssen. Dabei baut XRechnung auf der neuen europäischen CEN-Norm EN 16931 auf, die verbindlich von der europäischen Kommission am 29. Juni 2017 für alle EU-Staaten veröffentlicht wurde.
Mit diesem Format werden sich alle Kanzleien beschäftigen müssen, die unmittelbar in einer Mandatsbeziehung zu öffentlichen Auftraggebern stehen.
ZUGFeRD und die FeRD als deutscher eBilling Standard
Am 31. März 2010 wurde in Berlin das „Forum elektronische Rechnung Deutschland“ (FeRD) als nationale Plattform von Verbänden, Ministerien und Unternehmen zur Förderung der elektronischen Rechnung in Deutschland gegründet.
Hier ein Auszug der Liste von FeRD-Unterstützern, die ein Who-is-Who der deutschen Wirtschaft widerspiegeln:
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Angesichts der breiten Plattform an Unterstützern ist davon auszugehen, dass sich das Format etablieren wird.
Der besondere Vorteil von ZUGFeRD:Es ist ein hybrides Format. Einerseits hat man eine normal lesbare Rechnung im PDF-Format und andererseits einen maschinenlesbaren Datensatz im XML-Format eingebettet in die PDF. Entweder wird mit der klar lesbaren PDF-Rechnung gearbeitet und/oder die XML-Daten ohne weitere Schritte von eBanking-Programmen, von Buchhaltungssoftware oder von ERP-Systemen, z.B. zum Abgleich mit den Bestelldaten, elektronisch ausgelesen und direkt weiterverarbeitet. Eigentlich eine hervorragende Lösung für den Übergang von der analogen in die digitale Welt.
Das ZUGFeRD-Rechnungsformat verknüpft also die bildhafte Darstellung einer Rechnung im PDF-Format mit einem inhaltlich identischen maschinenlesbaren Rechnungsdatensatz im XML-Format.
Dieses Format könnte zukünftig eine der Grundlagen sein, auf dem z.B. Rechtsschutzversicherungen die Rechnungslegung erwarten. Der Charme an dieser Lösung ist die PDF-Variante der Rechnung die direkt an den Mandanten weitergereicht werden kann.
Das EDI-Format
Neben diesen drei kurzvorgestellten Formaten gibt es noch das EDI Format, das innerhalb der Industrie und des Handels genutzt wird. Marktanalysten behaupten, dass heute schon ca. 30% des Rechnungsaufkommens in Deutschland elektronisch nach diesen EDI-Verfahren übermittelt werden:
Viele Unternehmen wie zum Beispiel: Metro (incl. Saturn, Mediamarkt), Rewe, Edeka, Aldi, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland usw.), Otto, der DM-Drogeriemarkt, Rossmann, Adidas, Nestle, Symrise, Merck, Bayer, BASF, Böhringer, Storck, Leckerland, Dr.Oetker, Nestle, Baywa, VW (Audi, Porsche), Daimler, BMW, Ford, Siemens, Opel, Bosch, BP, Shell, Lufthansa, Deutsche Telekom, Vodafone …… und viele mehr, akzeptieren heute von Ihren Lieferanten zum großen Teil nur noch Rechnungen im EDI-Format.
Bleibt als Conclusio die Erkenntnis, dass nach beA die nächste große Herausforderung auf die Anwaltschaft zurollt. Der Zeitraum, der einer Kanzlei verbleibt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, hängt stark von der Mandatsstruktur ab. Dass sich einzelne Kanzleien nicht mit dem Thema beschäftigen müssen, halte ich für unwahrscheinlich. Mit der richtigen und zeitnahen Planung sollten die Anforderungen mit vertretbarem Aufwand realisierbar sein.
Meine Hoffnung ist, dass die einzelnen Kanzleien professioneller mit der Herausforderung umgehen, als die Standesorganisationen mit den aktuellen Digitalisierungsprozessen.